Jürgen Michael Schick – Marktkenner

Beiträge / Experten-Interviews

Jürgen Michael Schick im Interview mit dem Magazin €uro aus der Ausgabe 12/2020

„Wir sind ein reiches Land, aber eines ohne Vermögen“

Jürgen Michael Schick, Makler, Präsident des Immobilienverbands Deutschland und bester Wohnungspreis-Prognostiker, über Mieter, Halle an der Saale und Horst Seehofer.

€uro: Herr Schick, Deutschland erlebt derzeit den zweiten Corona-Lockdown. Hoteliers, Künstler und viele andere Selbstständige fürchten um ihre wirtschaftliche Existenz, während der Wohnungsmarkt einfach weiter boomt. Zählen Makler wie Sie zu den Gewinnern der Pandemie?


Jürgen Michael Schick: Jedenfalls gehören Wohnimmobilien zu den Krisengewinnern. Insofern sind diejenigen Makler, die mit solchen Immobilien arbeiten, bisher ein Stück weit besser durch die Krise gekommen als andere, die sich vielleicht auf die Vermietung von Restaurantflächen konzentrieren.

Wie kann es sein, dass viele Menschen Angst vor Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit oder Insolvenz haben und die Preise für Wohnungen vielerorts unverändert steigen?

Wenn vieles extrem unsicher ist, suchen Kapitalanleger Stabilität. Das Produkt Wohnimmobilie bietet Sicherheit in unsicheren Zeiten. Also gibt es eine starke Nachfrage danach. Das hält die Preise stabil oder lässt
sie weiter steigen.


Ist Ihr Berliner Maklerunternehmen Schick Immobilien von der Corona-Krise gar nicht betroffen?

Doch, schon auch. Wir sind weniger auf den Verkauf einzelner Eigentumswohnungen fokussiert, sondern vermitteln eher ganze Objekte, vor allem Mehrfamilienhäuser. Wir haben also schon auch erlebt, dass im zweiten Quartal dieses Jahres sehr viel Zurückhaltung im Markt war. Viele mögliche Käufer haben sich erst mal sortiert oder sind auf Sicht gefahren. Das normalisiert sich jetzt. Das vierte Quartal scheint wieder ein stabileres zu werden.

Zu Beginn des ersten Corona-Lockdowns Ende März sagten manche Experten Einbrüche der Wohnungspreise von bis zu 25 Prozent voraus. Sie dagegen meinten, die Preise würden mindestens stabil bleiben und die Mieten im Schnitt weiterhin um etwa drei Prozent im Jahr steigen. Sie lagen mit Abstand am richtigsten. Was wussten Sie, was andere nicht wussten?

Wir haben damals beim Immobilienverband Deutschland mit unseren Marktforschern zusammengesessen und überlegt, was mit Blick auf Corona und den sich abzeichnenden Wirtschaftseinbruch auf den Wohnungsmärkten passieren würde.

Wir kamen zu der Einschätzung, dass die Pandemie am Verhältnis von Angebot und Nachfrage nichts ändern würde. Es gibt in den beliebten Schwarmstädten wie Freiburg, Münster oder Heidelberg und in den Metropolen einfach eine Knappheit an Wohnungen.

Wir haben gesagt, dass die Zeit der sprunghaften Mietanstiege, die ohnehin vorbei war, nun erst recht vorbei sei. Aber es gab auch keinen Grund dafür, dass die Mieten nun einbrechen sollten.

Was sehen Sie jetzt in Ihrer Glaskugel? Wie werden sich die Wohnungspreise und -mieten bis Ende 2021 entwickeln?

Die Mieten werden sich weiterhin leicht oberhalb der Inflationsrate bewegen. Mieter müssen also damit rechnen, dass sie Ende 2021 etwa 2,5 bis drei Prozent mehr bezahlen müssen, als sie das heute tun. Bei den Preisen für Eigentumswohnungen erwarte ich für 2021 sogar wieder etwas mehr Dynamik als in diesem Jahr. Sie könnten dann im Schnitt eher fünf bis sechs Prozent teurer werden statt vier bis fünf Prozent wie 2020.


Wieder stärker steigende Preise: Wie das?

Weil die Nachfrage nach Eigentumswohnungen so groß ist und das Angebot der Nachfrage nicht hinterherkommt.


Wie viel Mietrendite ist bei einer Eigentumswohnung derzeit drin?

Das hängt vom konkreten Standort ab. In den Metropolen liegen viele Bruttomietrenditen, also das Verhältnis von Jahres-Nettokaltmiete zum Kaufpreis, um die drei Prozent, manchmal auch darunter.

In mittleren Städten oder in einfacheren Lagen der Großstädte geht es Richtung drei bis vier Prozent. Mögliche Wertzuwächse sind da noch nicht berücksichtigt.

Wo sollten Anleger derzeit bevorzugt eine Wohnung kaufen, weil es die Chance auf Wertsteigerungen gibt? Besser in Offenbach als in Frankfurt am Main?


Nehmen wir Berlin. Dort ist der Flughafen Tegel nun geschlossen. Das heißt: Der Stadtbezirk Reinickendorf, der bislang von Fluglärm belästigt wurde, wird Aufwertungen erfahren.

Dort werden Arbeitsplätze geschaffen und es entsteht ein Hochschulstandort. Der Stadtteil wird enorm profitieren.


Sind die Schwarmstädte, in der Regel also Universitätsstädte, für Wohnungsanleger alle okay?

Die sind alle okay, wenn nicht manche Lagen dort schon deutlich zu teuer sind. Also ob ich jetzt in Freiburg direkt am Münster unbedingt eine Wohnung brauche, weiß ich nicht.

Da gibt’s auch nicht so viele.

Stimmt.

Was ist mit Wohnungen in ostdeutschen Städten außerhalb Berlins?

Dresden und Leipzig sind schon eher teuer geworden, Halle und Magdeburg noch nicht. Also ist es mit Blick auf mögliche Wertsteigerungen eher zu empfehlen, in Halle eine gute Innenstadtlage zu kaufen, statt in Leipzig.

Raten Sie Kapitalanlegern weiterhin zu Zwei- bis Dreizimmerwohnungen? Oder ist etwas dran an den Beobachtungen, dass viele Menschen, die einen Bürojob haben und auch von zu Hause aus arbeiten können, ein Zimmer mehr haben wollen?


Das hängt davon ab, ob die Leute die Wohnung selbst nutzen wollen oder ob sie sie vermieten. Diejenigen, die jetzt ins Eigentum springen, die denken das mit dem zusätzlichen Zimmer zum Arbeiten mit, sofern sie zu denen zählen, die das wirklich dauerhaft nutzen wollen. Als Kapitalanleger würde ich mich weiterhin eher um Zwei- bis Dreizimmerwohnungen kümmern, weil da die Nachfrage am größten ist.

Thema Wohneigentum. Sie trommeln dafür, dass in Deutschland mehr Menschen eigene vier Wände haben. Was ist schlimm an einer Eigentumsquote von 44 Prozent in Bezug auf die Zahl der Haushalte?

Wenn drei Viertel der Deutschen Eigentümer sind oder es werden wollen, es sich aber nur 44 Prozent leisten können und wir eines der reichsten Länder der Welt sind, es aber nicht schaffen, dass sich die Menschen ihre Wohnträume verwirklichen können, dann ist das für mich ein Problem.

Wenn ich mir angucke, wie die Vermögenslage in Deutschland ist, dann stelle ich — verglichen mit anderen Ländern Europas — fest: Wir sind ein reiches Land, aber eines ohne Vermögen. Das Durchschnittsvermögen liegt zum Beispiel deutlich unter dem in Italien und Spanien.

Und dann plant die Bundesregierung auch noch ein Umwandlungsverbot von Miet- in Eigentumswohnungen. Das macht es noch schwieriger für Mieter, Eigentum zu bilden.

Sind Sie Mieter oder Eigentümer?

Ich bin seit einem halben Jahr wieder Eigentümer, nachdem ich zuvor sieben Jahre Mieter war.

Und das passt?

Ich bin sehr zufrieden, aber auch die sieben Jahre davor als Mieter in Berlin waren hervorragend. Die Stadt ist ja im Vergleich zu anderen Metropolen nicht teuer. Und ich hatte eine Vermieterin, die sich um alles gekümmert
hat. Für mich als Mieter war das super.

Sie sind in Wohnungen investiert. Wo?

Ich habe Mehrfamilienhäuser, und zwar in einfachen und mittleren Lagen. In Berlin bin ich zum Beispiel in Reinickendorf, im Wedding und in Neukölln investiert. Und ich habe ein paar Gehversuche im Ruhrgebiet unternommen

Wo haben Sie die besten Erfahrungen gemacht?

In Berlin.

Sind auf Eigentümerseite in Berlin Fehler gemacht worden, die zum Mietendeckel und zu Initiativen wie „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ geführt haben?

Na klar. Fehler werden auf allen Seiten gemacht. Die Kritik in Berlin hat sich ja oft auf Vermieter bezogen, die Mieter rausmodernisiert haben. Die mit Luxusmodernisierungen auch Schindluder getrieben haben.

Es gibt eindeutig schwarze Schafe in der Branche, gegen die wir ja auch vorgehen wollen. Aber sich nur auf die zu konzentrieren, wäre so, als würde man sagen, alle Mieter seien automatisch Mietnomaden, die nie die Miete bezahlen und nur eine zerstörte Wohnung hinterlassen. Beides stimmt ja nicht. 99 Prozent der Mietverhältnisse laufen einwandfrei. Das bestätigt auch der Deutsche Mieterbund.


2005 wollten Sie für die FDP in den Bundestag einziehen. Das hat nicht geklappt. Warum haben Sie es nicht noch mal probiert?

Ich war Wahlkreiskandidat für die Berliner FDP. Theodor Heuss hat mal sein Wahlkreismandat direkt gewonnen, ansonsten kam das bei der FDP nicht mehr vor, und mir ist das auch nicht gelungen. Ich habe 20 Jahre
in irgendwelchen Ratskellern verbracht und fand das auch interessant. Aber ich habe dann gut daran getan, mich auf meine Firma und meinen Beruf zu konzentrieren.

Finden Sie, Horst Seehofer ist ein guter Bundesbauminister?

Ich nehme ihn vor allem als Innenminister wahr. Jetzt hat er als Bauminister dieses von mir kritisierte Umwandlungsverbot von Miet- in
Eigentumswohnungen auf den Weg gebracht. Wenn das nachher das ist, was seine Bilanz auszeichnet, wäre das steigerungsfähig.


Nächstes Jahr ist Bundestagswahl. Was fürchten Sie da am meisten und welche Forderung ist Ihnen am wichtigsten?

Ich will es positiv formulieren. Mein Wunsch ist ein Regulierungsmoratorium. Also, einfach mal keine weiteren Eingriffe planen und den Wohnungsmarkt Wohnungsmarkt sein lassen. Und wenn die neue Bundesregierung das Motto „Eigentum & Mieterschutz“ beherzigen würde, dann wäre ich zufrieden.


Ihre Prognose: Welche Koalition wird die nächste Bundesregierung stellen?

Lassen Sie mich lieber die Entwicklung der Quadratmeterpreise für Eigentumswohnungen vorhersagen.

Einverstanden.

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