Bezirksporträt Tempelhof
Ein Bezirk hebt ab
Am 11. Juli endet die Fußball-Weltmeisterschaft. Ob unsere Kicker gewinnen, wissen wir nicht, aber wo ihre Wurzeln liegen, ist uns bekannt: in Berlin-Tempelhof. Im Jahr 1888 wird in diesem Berliner Ortsteil der erste deutsche Fußball-Verein Deutschlands gegründet. Die Spieler des „B.F.C. Germania 1888″ trainieren auf dem Tempelhofer Feld – ein Platz, der zur damaligen Zeit vom Militär für Exerzierübungen und Paraden genutzt wird, zugleich aber auch ein beliebtes Erholungsgebiet der Berliner ist. Die Geschichte des Tempelhofer Feldes ist untrennbar mit der Geschichte und Entwicklung des Bezirks Tempelhof verbunden.
Der erste Flughafen Berlins
1923 wurde auf dem Tempelhofer Feld der erste reguläre Flughafen Berlins errichtet – mit großem Erfolg. Die Passagierzahlen stiegen rasch an: Wurden im Jahr 1923 gerade einmal 150 Fluggäste befördert, waren es Mitte der 1930er Jahre 60.000. Damit entwickelte sich Tempelhof zu einem der wichtigsten Flughäfen Europas. Die Nationalsozialisten bauten den Flughafen zum Großflughafen aus: 6 Millionen Fluggäste sollten jährlich abgefertigt werden – eine enorme Dimension für die damalige Zeit. Bis heute beeindruckt der Flughafen Tempelhof wie andere Bauwerke aus der Zeit des Nationalsozialismus vor allem durch seine Größe und Monumentalität und weniger durch eine außergewöhnliche Architektur.
Das in den 1930er Jahren erbaute Flughafengebäude ist bis heute das größte zusammenhänge Gebäude Europas und gilt als wichtiges Dokument der Luftfahrt, Architektur und Bautechnik des 20. Jahrhunderts. Neben seinem Gebäude erlangte der Flughafen während der Berliner Blockade über die Grenzen Berlins hinaus besondere Berühmtheit. In den Jahren 1948/49 versorgten Flugzeuge der Amerikaner und Briten die Berliner Bevölkerung aus der Luft mit Lebensmitteln, Medizin, Kohle und Rohstoffen für die Industrie. Als Flughafen für den militärischen und zivilen Passagier- und Frachtverkehr war Tempelhof bis zur Einstellung des Flugbetriebs am 31. Oktober 2008 ein wichtiger Bestandteil der Berliner Infrastruktur.
Der Beginn einer neuen Ära
Mit dem Ende des Flughafenbetriebs veränderte sich die Stimmung in dem Berliner Ortsteil Tempelhof. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit – selbst gebürtiger Tempelhofer – ist überzeugt, dass der Bezirk ein riesiges Entwicklungspotenzial hat. Die Pläne der Regierung sind vielfältig: im Norden an der Grenze zum Bezirk Neukölln soll ein hochwertiges Wohnquartier für Familien entstehen, im Westen ist Platz für die Zentral- und Landesbibliothek, und im Süden sollen entlang der Stadtautobahn Gewerbe und Industrie angesiedelt werden.
Aufgrund seiner Nähe zur Innenstadt, zum Regierungsviertel und zum Umland ist Tempelhof schon seit vielen Jahrzehnten ein wichtiger Wirtschaftsstandort. Von einer ländlichen Gemeinde hat sich der Ortsteil im Laufe der Geschichte zu einem modernen großstädtischen Industriebezirk mit über 8.000 Gewerbebetrieben entwickelt. Zu den typischen Gewerbe- und Industrieflächen zählen die Gottlieb-Dunkel-Straße und die Teilestraße. Am Südrand des Tempelhofer Feldes sind schon in den 1930er Jahren Fabriken und Filmstudios entstanden. Die dort angesiedelten Unternehmen produzierten Kühlschränke, Rasierklingen, Eisenkonstruktionen und Schokolade.
Auf dem Weg zum Trendviertel
Neben Industrie steht der Bezirk Tempelhof vor allem für Bürgerlichkeit. Das Straßenbild ist von kleineren Mehrfamilien- und Einfamilienhäusern geprägt. Die schönen Altbauten in den begrünten Straßen zählen zu begehrtesten und preiswertesten Wohngegenden Berlins. Ein prominentes Beispiel ist die sogenannte Fliegersiedlung in Neu-Tempelhof. Die auch als Gartenstadt bezeichnete Siedlung wurde in den 1920er Jahren auf dem Tempelhofer Feld gebaut und ist die größte von mehreren gemeinnützigen Wohnsiedlungen in Tempelhof. Die Doppel- und Reihenhäuser in den ringförmig angeordneten Straßen sind mit Gärten durchsetzt und prägen den dörflichen Charakter der Siedlung. Um den nördlichen Teil der Manfred-von-Richthofen-Straße entwickelt sich das Kiezleben. Seit der Schließung des Flughafens wird die Gegend vor allem für Familien immer attraktiver. Die geringe Betondichte, die Spielmöglichkeiten für Kinder und die ruhige und gemütliche Atmosphäre haben dazu beigetragen, dass von den zu privatisierenden Wohnungen in den vergangenen zwei Jahren bereits 50 Prozent verkauft werden konnten. Makler und Investoren sind sich einig: Die Gartenstadt entwickelt sich zu einem neuen Trendviertel.
Besonders charakteristisch für den Berliner Stadtteil Tempelhof sind die verschiedenen sozialen Schichten und Kulturen. So gibt es auf der beliebtesten Einkaufsmeile des Bezirks, dem Tempelhofer Damm, neben exklusiven Geschäften und großen Kaufhäusern auch zahlreiche ausländische Läden. In sozialer Hinsicht gilt die Boelckestraße als Grenzlinie zwischen bürgerlich und wohlhabend. Im Osten finden sich vor allem schmucke zweistöckige Reihenhäuser, für die Käufer hohe Preise zahlen. Deutlich günstiger ist der Wohnraum im Westen: In der Fliegersiedlung liegen die Quadratmeterpreise mit 1.030 Euro deutlich unter dem Niveau des benachbarten Kreuzberg. Ob es bei diesen günstigen Preisen jedoch bleibt, bezweifeln Experten. Sie erwarten durch die Umnutzung des Flughafens Tempelhof steigende Quadratmeterpreise.
Potenzial für Preissteigerungen
Die natürliche Bevölkerungsentwicklung war von 2005 bis 2008 in Tempelhof negativ, jedoch überstieg die Zahl der Zuzüge zuletzt deutlich die der Fortzüge. Die mittleren und guten Wohnlagen finden sich zumeist in Altbauten im Nordwesten Tempelhofs. Die südlicheren Ortsteile weisen sowohl mittlere als auch einfache Wohnlagen auf – neben Mehrfamilienhäusern aus der Nachkriegszeit zum großen Teil in Einfamilienhausgebieten.
Der Wohnungsmarkt des Bezirks Tempelhof-Schöneberg als Ganzes lässt sich zweiteilen: In Schöneberg leben die Menschen eher in kleineren Wohnungen, die Kaufkraft ist geringer, die Mieten sind höher. Die Tempelhofer haben dagegen mehr Geld zur Verfügung und müssen weniger für das Wohnen aufwenden. In Tempelhofs ärmeren, teils mit Industrie durchsetzten Quartieren ist die Wohnkostenquote jedoch höher als in den kaufkraftstärkeren Gebieten in Lichtenrade, Mariendorf und Marienfelde.
Laut IVD-Preisspiegel liegen die Schwerpunktmieten in Tempelhof-Schöneberg leicht über dem Berliner Durchschnitt. In einer Standardwohnlage betragen die am häufigsten vorkommenden Mieten rund 5,80 Euro pro Quadratmeter. Wer in den Vorzugslagen des Bezirks wohnen möchte, muss 7,20 Euro pro Quadratmeter zahlen. Hier liegt Tempelhof-Schöneberg deutlich über dem Berliner Durchschnitt von 6,98 Euro. Der IVD erwartet durch die Schließung des Flughafens Tempelhof mittelfristig leicht steigende Mieten im Norden des Ortsteils Tempelhof.
Im Segment der gehobenen Eigentumswohnungen gab es im vergangenen Jahr laut Wohnmarktreport 2010 der Berliner Immobilienbaugesellschaft GSW und des Immobiliendienstleisters CB Richard Ellis in Tempelhof-Schöneberg den größten Preissprung Berlins. Vor allem die Grünlagen Tempelhofs sind bei den Käufern von Mehrfamilienhäusern besonders beliebt.