Das Zufriedenheits-Paradoxon

Magazin / Expertenbeiträge

Von Thomas Meyer, Vorstand, WERTGRUND Immobilien AG

Beim Thema Wohnen wird die mediale Berichterstattung dominiert von steigenden Mieten und verärgerten Mietern. Gleichzeitig ist die Zufriedenheit deutscher Mieter repräsentativen Umfragen zufolge relativ hoch. Das gilt für alle Vermietertypen, von Privateigentümern bis hin zu Immobilienunternehmen. Wie passt das zusammen?

Der Großteil der Mieter ist zufrieden

Gemäß dem unlängst erschienenen Servicemonitor Wohnen 2018 empfindet der überwiegende Teil der Befragten die eigene Miethöhe als angemessen. In der darauffolgenden Berichterstattung wurden die grundsätzlich hohen Zufriedenheitswerte jedoch teils missverständlich interpretiert. So wurde etwa getitelt, dass die Anzahl an voll zufriedenen Mietern mit 18 Prozent im Jahr 2018 rückläufig war. Dies ist zwar richtig, nicht aber der Umkehrschluss, dass 82 Prozent der Befragten unzufrieden wären. „Nicht voll zufrieden“ bedeutet lediglich „nicht vorbehaltlos“. Der Großteil ist insgesamt zufrieden und sieht höchstens bei Kleinigkeiten Optimierungspotenzial.

Auch in einem von uns gemeinsam mit dem Institut für Demoskopie Allensbach erstellten Mieterreport zeigten sich für das Jahr 2016 insgesamt 89 Prozent aller Befragten zufrieden oder sehr zufrieden. Am größten war die Zufriedenheit bei Mietern, die eine Privatperson als Vermieter haben, darauf folgten Mieter privater Wohnungsunternehmen. Mit den kommunalen Vermietern waren die Befragten am wenigsten zufrieden. Außerdem zeigt der Mieterreport ein Preisgefälle zwischen städtischen und ländlichen Gebieten. Während in ländlichen Regionen nur lediglich 30 Prozent der Befragten ihre Kaltmiete als große oder sehr große Belastung empfanden, waren es in den fünf größten deutschen Städten 60 Prozent.

Deutliche Unterschiede zwischen Bestands- und Angebotsmieten

Der Grund, warum der Mietmarkt in Deutschland so zwiespältig wahrgenommen wird, findet sich in den Unterschieden zwischen Bestands- und Angebotsmieten. Letztere sind vor allem in den A-Städten enorm angestiegen. Dafür gibt es mehrere Gründe. So werden etwa die Baumaßnahmen immer teurer. Die Miete muss in der Regel bei über zehn Euro pro Quadratmeter angesetzt werden, um keinen Verlust zu machen. Die Alternative besteht für viele Projektentwickler in dem Wechsel in ein höherpreisiges Segment. Hinzu kommen die wachsenden Grundstückspreise und die starke Nachfrage, mit der das Angebot nicht Schritt halten kann. Auf politischer Ebene wurde der soziale Wohnungsbau in den vergangenen Jahren an vielen Standorten vernachlässigt. So sank die Anzahl der geförderten Wohnungen zwischen 2000 und 2016 um etwa 1,34 Millionen. Bestehende Einheiten liefen aus der Preisbindung aus, zu wenige neue wurden gebaut.

Die Bestandsmieten steigen deutlich langsamer, als die Angebotsmieten. Der Mieterreport weist für die vergangenen zehn Jahre ein Plus von nur 13,3 Prozent auf. Dies liegt daran, dass die deutschen Mieter relativ lange in ihrer angemieteten Wohnung bleiben und insbesondere private Vermieter ohne den Anlass einer Neuvermietung die Miete nur selten und wenn, in der Regel moderat anpassen. Mieter wechseln hierzulande im Durchschnitt lediglich alle elf Jahre ihre Wohnung.

Gemeinsam die Locked-in-Symptome verhindern

Trotzdem bleibt festzuhalten: So unzufrieden, wie man angesichts der Berichterstattung befürchten könnte, sind deutsche Mieter nicht. Doch sind Politik und Wirtschaft dringend gefordert, den stark steigenden Angebotsmieten gemeinsam entgegenzuwirken. Sollte die Schere zwischen Bestands- und Angebotsmieten noch weiter auseinandergehen, droht das sogenannte Locked-in-Symptom. Gemeint ist – in Anlehnung an einen Begriff aus der Medizin – dass Mieter aus finanziellen Gründen innerhalb einer Stadt nicht umziehen können, obwohl sie es gern tun würden oder aus persönlichen Gründen sogar müssten.

Politisch sollten regionale Förderprogramme zum sozialen Wohnungsbau eng mit den Akteuren aus der Immobilienbranche abgestimmt werden. Auch sind bundesweite Gesetzesregelungen notwendig. Dazu gehört unter anderem die kürzlich beschlossene Sonder-AfA zur Förderung des Wohnungsbaus durch private Investoren. Dies ist Voraussetzung für ausreichend bezahlbaren Wohnraum. Auch für die Immobilienwirtschaft besteht Handlungsbedarf. So wurde im Servicemonitor Wohnen 2018 kritisiert, die privaten Wohnungsunternehmen seien lediglich auf den Neubau fokussiert und vernachlässigten die Bestandsmieter. Unternehmen sollten dies ernst nehmen, um die hohe Zufriedenheitsquote deutscher Mieter zu halten.

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