Der Berlin-Test
Von IVD-Präsident Jürgen Michael Schick
Es gab einen Durchbruch bei der Grundsteuerreform. Was eigentlich eine gute Nachricht sein könnte, wird zum Beispiel dafür, dass es der Wohnpolitik in Deutschland an einer einheitlichen Strategie fehlt. Teil einer solchen Strategie könnte eine Art Schnelltest sein.
Es ist wohl ein Zufall, dass beides zusammengefallen ist, aber es ist eben auch sehr bezeichnend für die deutsche Wohnpolitik: Am 16. Oktober gab es einen Durchbruch bei den Verhandlungen zur Grundsteuerreform zwischen der Großen Koalition und den Oppositionsparteien FDP und Grüne. Ebenfalls am 16. Oktober wurde eine Studie von EY veröffentlicht, dass fast jede dritte deutsche Kommune mit mehr als 20.000 Einwohnern plant, im kommenden Jahr den Grundsteuer-Hebesatz zu erhöhen.
Seit dem Grundsteuer-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (und auch schon seit vielen Jahre zuvor) wurde 18 Monate lang über die Reform gestritten und dabei immer wieder betont, dass sie aufkommensneutral ausfallen und keinesfalls zu einer Mehrbelastung für Mieter und Eigentümer führen solle. Ausgerechnet am Tag der Einigung aber zeigt sich, wie müßig diese Beteuerungen letztlich waren, weil am Ende eben die Kommunen über die Steuerhöhe entscheiden. Und die Kommunen brauchen nun einmal jeden Cent, deshalb wird die Steuer fröhlich angehoben und die Mieter und Eigentümer werden, Überraschung, stärker belastet.
Was sagt uns dieses Spiel nun über die deutsche Wohnpolitik? Es untermauert noch einmal, dass eine einheitliche Wohnpolitik hier einfach nicht existiert. Die Grundsteuerreform, auf die sich Bund und Länder geeinigt haben, mag an sich aufkommensneutral ausfallen; das wird aber konterkariert, wenn die Kommunen dann die Hebesätze erhöhen. Die baupolitischen Ansätze der vergangenen Monate mögen für eine zarte Förderung des Wohnungsbaus sorgen; das wird aber konterkariert, wenn das Mietrecht bundesweit immer weiter verschärft wird und auf Länderebene Mietendeckel errichtet werden. Wenn der eine Fuß vorwärts läuft und der andere zurück, kommt man nirgendwo hin.
Von der Klimaschutzpolitik, die umweltpolitisch notwendig sein mag, das Bauen und Sanieren und somit Wohnen aber noch teurer macht, gar nicht erst anzufangen.
Die sogenannte Wohnungsfrage wird zwar immer wieder zur sozialen Frage unserer Zeit erklärt, aber an einer ganzheitlichen, nationalen Strategie, wie diese zu lösen wäre, mangelt es bis heute fundamental. Einmal gab es einen kleinen Hoffnungsschimmer, dass eine solche Strategie doch noch erarbeitet werden könnte: am 21. September 2018, dem Tag des Wohngipfels. Die Hoffnung zerstob leider schnell, weil auf jedes Bauen in politischer Arithmetik mit mindestens einmal Regulieren geantwortet werden musste.
Das wohnpolitische Feld bleibt deshalb Stückwerk, ein Potpourri vieler nicht aufeinander abgestimmter Einzelmaßnahmen, die immer wieder eingeordnet und entsprechend beantwortet werden müssen. Das ist natürlich mühsam, aber es muss sein; die Wohnpolitik ist zu bedeutend, als dass wir uns in einem Anflug von Frust erlauben dürften, einfach neutral daneben zu stehen.
Bei jeder Einordnung einer wohnpolitischen Idee oder Maßnahme gilt es, folgende Grundfrage zu stellen: Führt die Maßnahme zu einer Erhöhung des bezahlbaren Wohnraumangebots oder zu einer Erhöhung der Wohneigentumsquote? Wird die Frage mit Nein beantwortet, taugt die Idee voraussichtlich nicht viel. Es ist eine Art Schnelltest; man könnte ihn den Berlin-Test nennen, weil derzeit wohl jede aus Berlin kommende wohnpolitische Idee durchfallen würde. Falls es wirklich einmal zu einer einheitlichen wohnpolitischen Strategie in Deutschland kommen sollte, dann sollte dieser Test der erste Schritt darin sein.