Interview mit Dr. Henrik Baumunk, Managing Director und Head of Residential Valuation bei CBRE

Magazin / Experten

„Die Mieter wissen um die Rechte“

Am 1. Juni 2015 führte Berlin als erstes Bundesland die Mietpreisbremse ein. Seitdem folgten immer mehr deutsche Städte und Gemeinden dem Beispiel der Hauptstadt. Dennoch sind bundesweit bisher lediglich sechs Klagen von Mietern gegen Verletzungen der Mietpreisbremse eingereicht worden – davon nur eine mit Erfolg (Stand: Anfang Oktober 2016). Wir sprachen mit Dr. Henrik Baumunk, Managing Director und Head of Residential Valuation bei CBRE, über Sinn und Sinnlosigkeit des jungen Gesetzes.

Herr Dr. Baumunk, ein „Meilenstein im Mietrecht“ sollte die sogenannte Mietpreisbremse sein, so Bundesjustizminister Heiko Maas vor über einem Jahr. Bewirkt hat das Gesetz, sieht man sich die blanken Zahlen an, bisher wenig – weder bei den Mieten, noch bei den Mietern. Woran liegt das? Wissen viele Mieter nicht gut genug um ihre Rechte oder versuchen sie schlicht, der Konfrontation mit den Vermietern aus dem Weg zu gehen?

Aufgrund der großen Präsenz des Themas, sollte sich jeder Mieter der Thematik bewusst sein. Die Verhandlungsposition des Mieters hängt dabei jedoch von der lokalen Angebots- und Nachfragesituation ab, da sie sich insbesondere in Städten mit hohem Nachfrageüberhang in einer eher schwächeren Position befinden. Am Beispiel Berlin lässt sich das sehr gut nachvollziehen: Allein im Jahr 2015 stiegen die Mieten um durchschnittlich 5,1 Prozent und damit stärker als in Frankfurt, Hamburg oder Köln, wo die Preise insgesamt bereits ein hohes Niveau erreicht haben. Das sagt uns: Wer eine Wohnung braucht und sie sich leisten kann, nimmt sie sich auch. Diese Wahrheit lässt sich nicht einfach „wegregulieren“. Der Gesetzgeber kann zwar versuchen, die Neuvertragsmieten zu begrenzen – an dem Druck, der auf einigen Wohnungsmärkten liegt, ändert das aber wenig.

Immerhin: Erstmals sind kürzlich drei Berliner Mieter erfolgreich vor Gericht gezogen. Den klagenden Mietern steht eine Rückzahlung zu, wie das Amtsgericht Lichtenberg urteilte.

Wir sollten diesen Fall nicht zu hoch bewerten. Bedenken wir, dass in Berlin bislang nur sechs Klagen eingegangen sind, von denen aktuell nur diese erfolgreich war. Im restlichen Bundesgebiet wurden, soweit bekannt, bisher keine einschlägigen Klagen eingereicht. Der mangelnde Erfolg des Gesetzes wird die Politik allerdings kaum beeindrucken. Im Gegenteil: Als Reaktion auf den Fall will das Bundesjustizministerium nun ein eigenes Gutachten zur Wirkung der Mietpreisbremse in Auftrag geben, auf dessen Basis die SPD über mögliche Verschärfungen diskutieren will.

Und die Mietpreise steigen bis dahin fleißig weiter?

Nicht unbedingt. Am Beispiel Hamburg sieht man, dass die Grenze der Mietbelastung nahezu erreicht ist. Die Angebotsmieten steigen dort im Stadtgebiet kaum noch. In Berlin nimmt sie in den teuersten Gebieten ebenfalls nur noch wenig zu. Diese Entwicklung wäre aber auch ohne Mietpreisbremse eingetreten. Für viele Haushalte, vor allem jene mit durchschnittlichem Einkommen, ist die Zahlungsfähigkeit- und Bereitschaft bald erreicht. Die Auswahlmöglichkeiten bei der Wohnstandortwahl engen sich vor allem in den Innenstädten aufgrund der niedrigen Leerstände und den teils hohen Preisniveaus zunehmend ein. In der Folge ziehen die Menschen weniger um, die Fluktuation sinkt. Das macht sich früher oder später in einer Verlangsamung der Mietenanstiege bemerkbar. Darüber hinaus wird dieser Prozess von einem verstärkten Zuzug ins Umland der Städte sowie einer Herausbildung von nutzerspezifischen Angeboten wie Serviced Apartments überlagert. Das sind aber ganz normale Marktprozesse. Ein Gesetz hätte man dafür nicht gebraucht.

Was in Berlin nicht funktioniert, könnte dennoch anderswo wirken…

Das ist ohne eine flächendeckende Untersuchung natürlich schwer zu sagen. In vielen Städten dürfte das Gesetz jedoch schon wegen ganz wesentlicher Voraussetzungen schwer umzusetzen sein. Bis zum Juni 2016 haben die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg sowie mehr als 260 weitere Städte und Gemeinden die Mietpreisbremse eingeführt. Allerdings existiert in Bremen sowie in 207 dieser Kommunen weder ein einfacher noch ein qualifizierter Mietspiegel. In vielen Kommunen ist damit nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete für die Neuvertragsmiete festgelegt wird. Dass die Mietpreisbremse ohne eine Novellierung der Mietspiegelsystematik und verlässliche Erhebungsverfahren eingeführt wurde, macht die Mietpreisgestaltung also schwierig. Falls die Bundesregierung bei der Mietpreisbremse tatsächlich nachbessern wollte, böte sich hier ein guter Ansatzpunkt.

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