Marktentwicklungen: Zinshäuser sichern Berliner Immobilienumsatz
von Jürgen Michael Schick, MRICS
Mietwohnhäuser stehen in unsicheren Zeiten hoch im Kurs. Das belegen die Zahlen des Berliner Gutachterausschusses eindrucksvoll. Wussten Sie schon, dass im vergangenen Jahr mit Wohn- und Geschäftshäusern ein Drittel des gesamten Geldumsatzes am Berliner Immobilienmarkt erzielt worden ist? Mit Mietwohnhäusern ist im vergangenen Jahr 27 Prozent mehr Umsatz erzielt worden als 2008, während bei Büro- und Geschäftshäusern der Umsatz im gleichen Zeitraum um 40 Prozent eingebrochen ist. Gewerbeimmobilien machen nur 40 Prozent des Umsatzes aus, der mit Wohn- und Geschäftshäusern in der Hauptstadt insgesamt erzielt wird. Fazit: Zinshausmarkt sticht Gewerbeimmobilienmarkt.
2009 sind mit Wohn- und Geschäftshäusern 1.908 Millionen Euro umgesetzt worden. 1.303 Kauffälle sind gezählt worden. Das entspricht beim Geldumsatz einem Rückgang gegenüber 2008 um 3 Prozent und bei den Kaufzahlen um 7 Prozent. Bei der Teilgruppe der reinen Mietwohnhäuser stieg der Geldumsatz sogar um 27 Prozent. Das sind beeindruckende Zahlen, wenn man bedenkt, welche Wahrnehmung dem Gewerbeimmobilienmarkt im Verhältnis zum Zinshausmarkt geschenkt wird. Dabei ist der Umsatz bei den gewerblichen Immobilien (Büro- und Geschäftshäuser einschließlich Einzelhandelsobjekte) 2009 gegenüber 2008 von 1.296 Millionen Euro auf nur noch 775 Millionen Euro drastisch zurückgegangen. Wer war es eigentlich, der noch vor Kurzem gesagt hat, Wohnen sei „out“ und Gewerbe sei „in“? Auch die Mitglieder des Gutachterausschusses in Berlin sehen die Gründe für die gute Nachfrage nach Zinshäusern in der allgemeinen Einschätzung des Mietwohnhauses als sichere Anlage in der Sorge um eine Geldentwertung. Im vergangenen Jahr sei der Berliner Immobilienumsatz mit Blick auf die längerfristige Entwicklung nach den Boomjahren 2006 und 2007 auf ein Normalmaß zurückgegangen.
Dass der Berliner Immobilienmarkt im Wesentlichen von der Finanzkrise unberührt geblieben sei, halte ich für eine euphemistische Formulierung. Wenn alle Immobilienarten Umsatzrückgänge erlebt haben, nur Mietwohnhäuser ein Plus von 27 Prozent realisieren konnten, sind Berliner Zinshäuser die Gewinner der Krise.
Für Immobilienkäufer ist es sicherlich interessant zu erfahren, zu welchem durchschnittlichen Quadratmeterpreis Mietwohnhäuser den Besitzer gewechselt haben. Der Preis betrug 2009 im Schnitt circa 680 Euro pro Quadratmeter nach circa 700 Euro pro Quadratmeter im Jahr 2008. Das erstaunt deswegen, weil auch der Gutachterausschuss festgestellt hat, dass vor allem in den innerstädtischen Lagen eine hohe Transaktionsdichte vorhanden war, während in den Außenbezirken eine schwächere Nachfrage herrschte. Immobilienkäufe fanden vor allem in der City-West, in der City-Ost mit Friedrichshain und im Bereich „Kreuzkölln“ statt.
Deutlich wird bei der Analyse des Marktgeschehens auch, dass sich der Zinshausmarkt auf der Einzeltransaktionsebene abspielt. Weniger als ein Prozent aller gehandelten Zinshäuser wurde in sogenannten Immobilienportfolios gehandelt.
Schwung sei laut Berliner Gutachterausschuss im vierten Quartal 2009 in den Markt gekommen, nachdem das Geschehen davor eher zurückhaltend verlief. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, vorherzusehen, dass diese stabile Tendenz in den nächsten Monaten ihre Fortsetzung findet. Es gibt kaum eine Bank, die den Berliner Miethäusermarkt nicht als chancenreich einschätzt. Ausreichende Bonität vorausgesetzt, erleben wir derzeit keine Probleme auf der Finanzierungsseite. Da auch die Käufer nunmehr allgemein eine längerfristige und stabile Anlagestrategie verfolgen, steht im Regelfall eine ausreichende Eigenkapitalausstattung für den jeweiligen Kauf zur Verfügung. Der Leiter Immobilienfinanzierung in einer bedeutenden Berliner Privatbank hat folgenden treffenden Satz gesagt: „Der Konservatismus ist in den Markt zurückgekehrt.“ Gesucht wird die stabile, gut gelegene Immobilie mit einem klar abzusehenden Risiko-Rendite-Profil. Zweifellos gibt es dabei zwischenzeitlich auch den einen oder anderen Nachfrageüberhang. Gute Objekte in attraktiven Lagen zu finden kann einige Zeit dauern. Der Berliner Immobilienmarkt ist aber so groß, dass es 2010 für jeden Interessenten passende Zinshausofferten geben wird. Es sei denn, es sucht noch immer jemand das repräsentative Stuckmiethaus in zentraler Charlottenburg-Lage für das 12-fache der Jahresmiete.