Servicewohnen ist beliebt – doch es mangelt noch an Angeboten
Von Dr. Michael Held, CEO der TERRAGON AG
In Deutschland leben immer mehr ältere Menschen. 2017 betrug der Anteil der über 65-Jährigen bereits 21 Prozent der Bevölkerung, und er wächst Jahr für Jahr. Das verändert die Gesellschaft, und mit ihr die Immobilienbranche. Denn Senioren haben besondere Anforderungen an ihren Wohnraum. Sie benötigen ein Zuhause, das ihre Selbständigkeit so lange wie möglich erhält und ihnen gleichzeitig Sicherheit und Komfort bietet. Ein Großteil von ihnen ist bereit, dafür umzuziehen – und die meisten wollen dann in eine Servicewohnanlage. Bislang bleibt in diesem Bereich jedoch das Angebot weit hinter der Nachfrage zurück. Positiver ausgedrückt: An dieser Stelle schlummert ein gewaltiges Investitionspotenzial.
Bedarf in ganz Deutschland
Wie groß die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage im Bereich des Servicewohnens ist, zeigt allein die Länge der Wartelisten für bestehende Einrichtungen. Und sie lässt sich genauer beziffern. Die TERRAGON AG hat für alle deutschen Gemeinden mit mehr als 5.000 Einwohnern untersucht, wie hoch der Bedarf an Servicewohnen für Senioren ist. Das Ergebnis: Insgesamt fehlen etwa 550.000 Wohneinheiten in ganz Deutschland, und zwar in allen Regionen. 94 Prozent aller untersuchten Kommunen haben nicht ausreichend viele Servicewohnungen für ihre älteren Einwohner. Der Neubaubedarf ist hoch, das Interesse der Investoren steigt. Eine der größten Schwierigkeiten ist derzeit die Bereitstellung geeigneter Baugrundstücke vor allem in den Großstädten. Dort ist die Versorgungslage zwar im Allgemeinen besser als in den Klein- und Mittelstädten, doch selbst in den 30 größten Städten stehen pro 100 Einwohner im Alter ab 65 Jahren durchschnittlich nur 3,3 entsprechende Wohnungen zur Verfügung. Insbesondere in Nordrhein-Westfalen sind viele Großstädte unterversorgt – Duisburg (0,9 Prozent), Gelsenkirchen (0,7 Prozent) und Mönchengladbach (0,5 Prozent) bilden die Schlusslichter unter den Top 30.
Die Kaufkraft ist vorhanden
Das mangelnde Angebot kommt nicht daher, dass die potenziellen Kunden kein Interesse oder kein Geld hätten – im Gegenteil. Kaufkraft und Präferenzen der älteren Bevölkerung wurden ebenfalls von mehreren Marktforschern, darunter empirica und JLL, untersucht, und das Ergebnis ist eindeutig: Mehr als die Hälfte der über 50-Jährigen kann sich den Umzug in eine Wohnung mit Service vorstellen, und den Babyboomern steht im Alter deutlich mehr Geld zur Verfügung als früheren Generationen. In vielen Regionen können mehr als drei Viertel aller Haushalte im oder kurz vor dem Rentenalter bis zu 1.000 Euro im Monat für Miete und Serviceleistungen aufbringen, ohne sich in anderen Bereichen einschränken zu müssen. Zum Vergleich: Die monatlichen Gesamtkosten für Miete und Service in einer Zwei-Sterne-Einrichtung des Senioren-Servicewohnens (nach Klassifizierung der gif e.V.) bewegen sich um 900 Euro. Ein knappes Drittel der Seniorenhaushalte kann sich sogar eine Vier-Sterne-Einrichtung leisten. Allein in dieser Preisklasse besteht also ein Nachfragepotenzial für rund 100.000 Wohneinheiten mit einem Investitionsvolumen von 33 Milliarden Euro.
Diversifizierung des Angebots
Für eine flächendeckende Versorgung sind selbstverständlich Servicewohnungen in allen Preisklassen nötig. Projektentwickler und Betreiber haben deshalb in den vergangenen Jahren ihre Angebote diversifiziert. Neue Konzepte sind entstanden, und inzwischen gibt es beinahe für jeden Geldbeutel und jeden Geschmack die passende Einrichtung – allerdings nicht überall und vor allem nicht in ausreichender Menge. Gerade in den Metropolregionen und Ballungsräumen wird der Bedarf stark wachsen, denn immer mehr Senioren ziehen dorthin. Sie wollen in die Gesellschaft eingebunden und aktiv bleiben, und dafür ist ein direkter Zugang zu einer leistungsfähigen öffentlichen Infrastruktur nötig. Auf dem Land mangelt es daran oft, und auch das Angebot an Kultur, Gastronomie und Einzelhandel ist in der Stadt meist besser.
Bauland gesucht
Im Bereich des Senioren-Servicewohnens gibt es also eine große Nachfrage. Deutschlandweit beträgt das Investitionspotenzial etwa 64 Milliarden Euro. Ideal dafür sind vor allem städtische Lagen, wo der Bedarf am höchsten ist und am stärksten wächst. Doch genau dort mangelt es an geeigneten Grundstücken, und die Konkurrenz mit dem klassischen Wohnungsbau ist hoch. Dabei wären Senioren-Servicewohnungen eine ideale Ergänzung: Für Investoren, die mit besseren Renditen rechnen können; für Senioren, die bedarfsgerechte Wohnungen finden; und für Gemeinden, die allen Einwohnern guten Wohnraum bieten wollen.