Ein Projektentwickler, der alle Krisen überlebte
Immobilienprojektentwickler sind entweder sehr vermögend oder pleite. Es handelt sich bekanntlich um die risikoreichste Sparte des Immobiliengeschäfts – mit den größten Chancen und entsprechend auch den größten Risiken. Das spüren gerade in diesen Monaten wieder viele Projektentwickler – nach langen erfolgreichen Jahren, in denen man hervorragend verdienen konnte.
Einer der erfolgreichsten Projektentwickler, den ich in meinem Leben kennengelernt habe, sagt von sich: „Bei mir ist das Glas immer halb leer.“ Nicht halb voll. Halb leer. Damit ist er eine Ausnahme bei Unternehmern, aber seine eher pessimistische Einstellung ist vermutlich einer der Gründe dafür, dass er mit seinem Unternehmen in einem so risikoreichen Segment ein halbes Jahrhundert lang (Sie haben richtig gelesen!) erfolgreich war. Kaum ein Unternehmen in dieser Branche überlebt so lange.
Optimismus ist eine tolle Eigenschaft. Für Unternehmer ist sie geradezu entscheidend, denn ohne Optimismus würde wohl kaum jemand ein Unternehmen gründen. Aber insbesondere in schwierigen Situationen kann zu viel Optimismus auch schaden.
Unter Überoptimismus versteht man das Phänomen, dass Menschen dazu neigen, sich hinsichtlich bestimmter Eigenschaften oder Fähigkeiten als überdurchschnittlich einzuschätzen, auch wenn sie es nicht sind. Bereits Ende der 1980er-Jahre zeigten die Wissenschaftler Arnold C. Cooper, Carolyn Y. Woo und William C. Dunkelberg auf der Basis einer Befragung von 2.994 Unternehmern, die gerade ihre Geschäftstätigkeit gestartet hatten, wie ausgeprägt der Überoptimismus ist. Obwohl in den USA zu dieser Zeit etwa zwei Drittel der neu gegründeten Unternehmen innerhalb von vier Jahren scheiterten, sahen 81 Prozent der befragten Unternehmensgründer ihre Erfolgsaussichten bei mindestens 70 Prozent, und 33 Prozent erklärten, ihr Risiko zu scheitern sei gleich null. Die Unternehmer wurden befragt, wie sie die Erfolgschancen anderer vergleichbarer Unternehmen einschätzten. Auch hier waren ihre Einschätzungen zu optimistisch, jedoch bei Weitem nicht so optimistisch wie für ihre eigene Firma.
Ohne großen Optimismus hätten sich die meisten Unternehmer sicher nicht selbstständig gemacht. Überoptimismus ist nach Auffassung mancher Wissenschaftler eine wichtige Erklärung dafür, warum Personen Unternehmen gründen, obwohl die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns so hoch ist. Andererseits schadet ein zu großer Optimismus oft auch und gerade in schwierigen Situationen – so etwa, wenn ein Unternehmer oder Investor auch dann immer noch eigenes Geld nachschießt, wenn ein objektiverer Betrachter schon längst erkannt hätte, wie aussichtslos die Lage ist.
Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Beziehung zwischen Optimismus und der Leistung neuer Unternehmen bis zu einem moderaten Grad an Optimismus positiv sein, aber darüber hinaus negativ werden könne.
Selbstüberschätzung ist keineswegs immer negativ zu bewerten. Sie fördert Unternehmertum und ermöglicht es den motivierten Unternehmern, andere von ihren Ideen zu überzeugen, beispielsweise Kreditgeber oder Aktionäre. Wenn von 100 überoptimistischen Menschen nur fünf etwas Bahnbrechendes gelingt, dann hat diese Strategie die Menschheit evolutorisch weitergebracht – auf Kosten der 95 restlichen Überoptimisten, die gescheitert sind.
Auch wenn das für die Gesellschaft insgesamt positiv ist, stellt sich doch für den Einzelnen die Frage, wie er sich selbst vor schädlichem Überoptimismus bis zu einem gewissen Grad schützen kann. Gibt es ein Rezept gegen Überoptimismus? Eine Empfehlung lautet, man solle vor dem Start eines Projekts folgende Übung durchführen: Eine Gruppe von Personen, die bestens mit der Entscheidung vertraut ist, solle zu einer Sitzung zusammenkommen, die mit folgender Ansprache bzw. Aufgabenstellung beginnt: „Stellen Sie sich vor, wir befinden uns ein Jahr in der Zukunft. Wir haben den Plan in seiner jetzigen Fassung umgesetzt. Das Ergebnis war eine Katastrophe. Nehmen Sie sich bitte fünf bis zehn Minuten Zeit, um eine kurze Geschichte dieser Katastrophe zu schreiben.“ Der wichtigste Vorzug dieser „Prä-mortem-Methode“ bestehe darin, dass sie Zweifel zulasse und die Befürworter der Entscheidung ermuntere, nach möglichen Gefahren zu suchen, die sie bislang nicht in Betracht gezogen hätten.
Ich glaube nicht, dass der Projektentwickler, den ich eingangs erwähnt habe, solche Methoden angewandt hat. Er hatte einfach intuitiv verstanden: Wenn ich schon in einer sehr risikoreichen Branche tätig bin, sollte ich auch nicht gleichzeitig überoptimistisch sein.