In Berlin ändern Bezirke ihr Profil schneller als anderswo

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Jürgen Michael Schick

Das Leben ist reizvoll, wenn es Gegensätze zu bieten hat, wenn es viele verschiedene Facetten im Alltag gibt und wenn es bunt und vielfältig ist. Was in unserem persönlichen Leben interessant ist, macht auch eine Stadt aufregend und anziehend. Berlin ist eine Großstadt voller Gegensätze. Die Spreemetropole hat neben den Repräsentationsbauten einer Hauptstadt und der einzigartigen Kultur-, Wissenschafts- und Medienlandschaft eine Eigenschaft, die den anderen Städten in Deutschland fehlt. Berlin ist immer am Werden und nie am Sein. Berlins Bezirke wandeln sich schneller als Stadtteile in anderen großen und kleinen Städten in Deutschland und Europa. Viele deutsche Städte sind fertig gebaut und fertig entwickelt. Berlin verändert sein Gesicht ständig und erfindet sich immer wieder neu.

Dass sich die Berliner Bezirke in wenigen Jahren, ja schon fast Monaten, so schnell ändern wie anderswo nicht in Jahrzehnten, ist für Immobilieninvestoren eine große Chance. Lassen Sie mich als Beispiel Neukölln nehmen. Noch vor wenigen Jahren war der Stadtteil als „Segregationsbezirk“ mit überproportionalen Migrations- und Sozialkonflikten ein hartes Pflaster. Der „Spiegel“ schrieb vom Rathaus Neukölln als dem größten Sozialamt Deutschlands. Türkische Bewohner zogen aus den nördlichen Seitenstraßen der Sonnenallee fort, weil sich zu viele arabische Familien breitmachten. Über die entstandenen „Parallelgesellschaften“ diskutierten zahllose Fernsehdiskussionsrunden.

Und heute? Im Jahr 2011 ist Neukölln ein immobilienwirtschaftlicher Hotspot. Der Begriff der „Segregation“ ist der neuen Lieblingsvokabel der Stadtsoziologen, der „Gentrifizierung“ gewichen, der stadträumlichen Aufwertung, die durch den Zuzug zuerst der Kreativen und später der normal verdienenden Bevölkerung entsteht. Wo früher in schlecht beleumundeten Straßen diejenigen wohnten, die anderswo keine Wohnung bekamen, zieht es heute die Kreativen an und diejenigen, die es sein wollen. Die wachsende Beliebtheit des Quartiers haben all diejenigen erfahren, die in Neukölln bereits investiert sind. Zwischen 2006 und 2007 kamen plötzlich immer mehr Studenten zu den Wohnungsbesichtigungen. 2009 und 2010 überwogen schon die Wohnungssuchenden, die fertigstudiert oder ausgelernt haben und bereits erwerbstätig sind. Ich habe anfangs meinen Augen nicht getraut, als immer mehr Akademikerhaushalte in Neukölln ihre Bleibe suchten. Mittlerweile gibt es auch die dritte Welle von Neu-Neuköllnern. Nach den Dinks („Double income, no kids“) kommen jetzt auch junge Familien, die ihren Kinderwagen Richtung Hermannplatz schieben. Was für ein Wandel innerhalb weniger Jahre! Wer sich an einem Samstagvormittag in den hübschen Sträßchen von Neukölln aufhält, sieht es geradezu augenfällig. Laptop-Tasche und Latte-Macchiato-Becher sind sichtbare Utensilien der neuen Bewohner.
Wohnungen, die bisher für vier oder 4,50 Euro nettokalt vermietet waren, werden nach einem Auszug, ohne viel daran machen zu müssen, für sechs oder 6,50 Euro neu vermietet. Wer in den Zustand der Wohnungen investiert, erzielt auch Mieten von mehr als sieben Euro. In welchem Immobilienteilmarkt lassen sich bei Neuvermietungen innerhalb kürzester Zeit Ertragssteigerungen von 50 bis 70 Prozent erzielen? Für Immobilieninvestoren ist das eine große Chance. Auch wenn die Renditen von neun Prozent auf 7,5 Prozent gesunken sind, liegt die durchschnittliche Miete pro Quadratmeter bei den Zinshäusern, die derzeit verkauft werden, irgendwo zwischen 4,50 und 4,80 Euro. Immer mehr Käufer sind sich dessen bewusst, dass Miethäuser in einstmals einfacher Lage, die heute das 13- oder das 14-Fache kosten, bei denen sich aber die Mieten steigern lassen, attraktiver sind als Angebote, die zwar einen noch niedrigeren Faktor haben, aber keine Mietenphantasie zulassen.

Wer sich auskennt in Berlin, kann von dem raschen Wandel Berliner Stadtteile profitieren und sehr erfolgreich investieren. Es gibt auch andere Lagen, die sich derzeit in einem spürbaren Wandlungsprozess befinden. Viele Berliner, die in bürgerlichen Lagen zu Hause sind, waren eher selten in Lichtenberg. Der Stadtteil östlich von Friedrichshain galt lange als trostlos und rückwärtsgewandt. Heute entwickeln sich zahlreiche Altbauquartiere zu attraktiven Gegenden mit Cafés, Restaurants und netten Geschäften. Auch hier wirkt es teilweise wie in Prenzlauer Berg oder Friedrichshain vor zehn und 15 Jahren. Charlottenburg-Nord ist rund um den Mierendorffplatz eine Stadtteillage, die immer weniger wie der ärmere Nachbarstadtteil Tiergarten wirkt, sondern für die Bewohner attraktiv wird, die zwischen Kantstraße und Schloss keine passende Wohnung gefunden haben. Weitere Beispiele lassen sich problemlos aufführen.

Während in der veröffentlichten Meinung einseitig das Phänomen steigender Mieten thematisiert wird, sehe ich für die Stadtentwicklung als Ganzes die sehr positive Seite, dass aus ehemaligen Problemlagen reizvolle Quartiere werden, die anziehend sind für Berliner aus anderen Teilen der Stadt und für die Menschen, die noch nicht hier leben, aber gerne in der deutschen Hauptstadt leben wollen.
Der volkswirtschaftliche Nutzen einer wachsenden Metropole liegt auf der Hand. Berlin ist eine dynamische Stadt. Das niedrige Mietenniveau, das unter dem Bundesdurchschnitt liegt, sorgt noch über viele Jahre für einen großen Standortvorteil und für zahlreiche Chancen am hiesigen Immobilienmarkt. Wer das Ohr am Markt hat, kann von den neuen Entwicklungen besonders früh-
zeitig profitieren.

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