Moderater Mietenanstieg in Berlin

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Jürgen Michael Schick
Jürgen Michael Schick

Für die deutsche Hauptstadt gibt es einen neuen Mietspiegel. Er gilt für zwei Jahre und hat den Mietspiegel 2011 abgelöst. Für Vermieter und Verwalter ist die Vorlage eines neuen Mietspiegels eigentlich ein Standardfall. Angesichts der überbordenden Mietendiskussionen im Wahlkampf lohnt sich aber ein genauerer Blick in das Werk. Das Wichtigste vorneweg: Der Berliner Immobilienmarkt ist gesund und prosperiert, aber die Mieten wachsen langsamer als manch einer vermutet hatte. Ein sprunghafter Anstieg der Wohnkosten an der Spree ist ausgeblieben. Die „gewichtete Durchschnittsmiete“ beträgt 5,54 Euro pro Quadratmeter. In Dresden liegt dieser Wert bei 5,46 Euro pro Quadratmeter. Mittelstädte wie Essen, Leverkusen, Greifswald oder Bielefeld liegen preislich mit der Spreemetropole gleichauf.

Der zuständige Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) hat zu Recht darauf hingewiesen, dass ein Berliner Haushalt im Durchschnitt zwar ein geringeres Einkommen habe als es in anderen Großstädten verdient werde, die Mietbelastung sei aber dennoch deutlich geringer als etwa in Hamburg (7,15 Euro pro Quadratmeter). In München liegt der Durchschnittswert mit 10,13 Euro pro Quadratmeter fast doppelt so hoch wie in Berlin. Mietwohnungen sind und bleiben also bezahlbar. Mit 3,2 Prozent ist die durchschnittliche Steigerung pro Jahr nahe an der allgemeinen Preisteuerung angesiedelt. Natürlich liegen die aktuellen Neuvermietungsmieten oberhalb der jetzt ausgewiesenen Mietpreise. Der Mietspiegel ist aber keineswegs ein Abbild uralter, längst überholter Marktkonditionen. Mieten aus Verträgen, die seit mehr als vier Jahren nicht mehr verändert wurden, fließen gar nicht in den Mietspiegel mit ein. Ebenso werden nur die 1,2 Millionen nicht preisgebundenen Mietwohnungen in Mehrfamilienhäusern und vermieteten Eigentumswohnungen erfasst, nicht aber die Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus, weil für sie die Mietpreise festgelegt sind und ohnehin darunter liegen. Für Alarmismus bieten die neuen Zahlen des Berliner Mietspiegels also kein Futter. Man reibt sich als Marktakteur schon verwundert die Augen, wenn die Wahlkämpfer von Union, SPD, Grünen und Linken jetzt eine Mietdeckelung auch für Neuvertragsmieten fordern. Der Mietenmarkt ist selbst im spannendsten deutschen Immobilienmarkt, nämlich hier in Berlin, alles andere als exzessiv, sondern ein ziemlich moderates Abbild von Angebot und Nachfrage. Auch in München übrigens sind vor wenigen Tagen deutlich verlangsamte Zuwachsraten bei den Mieten veröffentlicht worden. Der Nachholeffekt in der Mietpreisentwicklung (nach 10-15 Jahren zurückgehender Mieten) ebbt allmählich ab.

Für eine andere Idee, mit der der Wohnungsmarkt künstlich reguliert werden soll, gibt es durch den neuen Berliner Mietspiegel ebenfalls keine Veranlassung. Der Wunsch des Deutschen Mieterbundes, den Grüne und SPD übernommen haben, den Erhebungszeitraum für die abgebildeten Mieten von vier auf zehn Jahre auszuweiten, um auch damit die Mieten künstlich klein zu halten, wirkt kurios angesichts der geringen Zuwächse. Vermieter sollten den neuen Mietspiegel zum Anlass nehmen, zu überprüfen, ob für ihre Grundstücke noch die gleichen Lageeinwertungen gelten wie im alten Mietspiegel. Die Wohnlagenkarte, die wenig differenziert in einfache, mittlere und gute Lage unterscheidet, wurde für rund 2.300 Adressen verändert. Nicht alle können sich darüber freuen: 1.700 Adressen wurden in eine bessere Kategorie hochgestuft, 600 Mal gab es Abstufungen. In der Lagezuordnung liegt das große Potenzial, Marktverzerrungen von Amts wegen zuzulassen. Es ist gar nicht lange her, als Prenzlauer Berg noch als einfache Lage ausgewiesen wurde.

In dem Wertungssystem wurden übrigens die Baujahre 1950 bis 1955 mit denen von 1956 bis 1964 zusammengefasst. Interessant ist, dass der Mietspiegelmittelwert in mittlerer Lage, z.B. bei 40-60 Quadratmeter großen Wohnungen, in diesen Baualtersklassen nur zehn Prozent unter denen von Altbauwohnungen liegt. Aus meiner Erfahrung liegen beim Einkauf von Wohnungsbeständen aus „Nachkriegs-Altbauten“ jedoch Preisunterschiede von 25-35 Prozent im Vergleich zu den deutlich teureren Altbauten. Bei den Mieterträgen sind die Unterschiede weitaus geringer. Wenn man gleichzeitig berücksichtigt, dass nur 27 Prozent des Wohnungsbestandes Altbauten bis 1918 sind, 57 Prozent der Wohnungen aber nach 1949 entstanden sind, wird deutlich, wo ein attraktives Potenzial für Zukäufe stecken könnte.

Ich bin froh, dass der neue Berliner Mietspiegel viel Raum für sachliche Diskussionen über die Chancen des Berliner Marktes zulässt. Für politische Ideen wie eine Deckelung von Neuvermietungsmieten gibt er keinen Anlass. Nicht vergessen werden sollte, dass die Berliner Mieter nominal ohnehin nur 72 Prozent des Mietniveaus von vor 20 Jahren zahlen. Inflationsbereinigt sind es übrigens nur 51 Prozent. Immobilienfachleute sollten einmal mehr darauf hinweisen, dass es nicht die Entwicklung der Nettokaltmieten ist, die das Wohnen teurer macht. Diese ist in ganz Deutschland seit zwei Jahrzehnten deutlich geringer als die allgemeine Preisteuerung. Dagegen sind die kalten, aber vor allem die warmen Betriebskosten die großen Preistreiber. Und dafür ist zuallererst die Politik verantwortlich.

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