Neu bauen oder modernisieren – was ist nachhaltiger?

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Gabriel Khodzitski, CEO PREA

Neue Wohnungen benötigen weniger Gebäudeenergie als alte – oder? Schließlich sind die Auflagen der Energieeinsparverordnung (EnEV) immer weiter verschärft worden. Neue Dämmtechniken und energiesparende Heizsysteme erlauben einen klimafreundlicheren Betrieb als früher. Aber differenzieren wir die Frage: Sind neue Wohnungen – ganzheitlich betrachtet – immer noch umweltfreundlicher, wenn ihnen der Abriss eines Bestandsgebäudes vorausgeht? Wenn Abriss und Neubau an die Stelle einer hochwertigen Grundsanierung treten, die Wohnungen (fast) auf Neubauniveau entstehen lässt?

Die Hälfte wird vergessen

 Verfechter der Sanierung argumentieren: Der Erhalt der Bausubstanz ist der wichtigste Punkt in Sachen Nachhaltigkeit. Abriss und Neubau sind mit vielen Nachhaltigkeitsaspekten verbunden, die sich nicht in der späteren Energiebilanz finden. Eine vollumfängliche Bilanzierung der Gebäudeenergie im Lebenszyklus wurde viel zu lange vernachlässigt. Stichwort: „graue Energie“ – darunter werden die energiebedingten Aufwendungen für die Herstellung, Instandsetzung und Entsorgung (oder Wiederverwendung) von Baumaterialien verstanden. Heizung, Warmwasser, Lüftung und Hilfsstrom im Gebäudebetrieb machen in Bezug zum Gesamtbedarf bei Neubauten laut einer Studie des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung in vielen Fällen etwa 40 bis 60 Prozent aus. Umgekehrt erfordern konstruktions- und transportbedingte Aufwendungen 60 bis 40 Prozent des Gesamtenergiebedarfs. Etwa die Hälfte der potenziell klimaschädlichen Wirkung eines Gebäudes wird also schlicht vergessen, wenn man nur die Bilanzgrenze der EnEV betrachtet und keine ganzheitliche Sicht wählt.

Intransparenz als Hürde

 Allerdings lässt sich graue Energie schwer messen. Zwar gibt es Daten darüber, wie viel CO2 beispielsweise bei der Herstellung einer Tonne Stahl verbraucht wird – 2018 wurden für die Herstellung jeder Tonne Rohstahl 1,7 Tonnen CO2-Emission veranschlagt –, aber nur für eine bestimmte Herstellungsweise. Und selbst dann bemisst sich der CO2-Ausstoß maßgeblich daran, ob für die Produktion grüne Energie verwendet wurde oder nicht. Vielleicht bringt die zunehmende ESG-Berichterstattung mehr Licht ins Dunkel. Immer mehr Unternehmen der Bau- und Immobilienwirtschaft veröffentlichen nicht-finanzielle Kennzahlen, die sich auf ihre Tätigkeit beziehen, darunter den CO2-Fußabdruck. Je granularer dies erfolgt, desto größer ist die Markttransparenz auch mit Blick auf die Klimawirkung einzelner Baukomponenten der jeweiligen Unternehmen. Und umso besser kann im Einzelfall entschieden werden, welcher Weg tatsächlich der nachhaltigere ist.

Mobilität als Zukunftsfaktor

Vollständig bilanzieren, das hieße aber womöglich auch, noch weiterzugehen, als „nur“ die graue Energie in die Umweltbilanz einzustellen: Welche mobilitätsbedingten Emissionen werden durch die Immobilie induziert? Führen lange Fahrten mit dem Pkw zu ökologischen Nachteilen, weil Supermärkte, Arbeitsplätze und Kindertagesstätten nicht in der unmittelbaren Nachbarschaft vorhanden sind? Greifen die Bewohner auf ihr eigenes Fahrzeug zurück, weil die Immobilie schlecht an den öffentlichen Personennahverkehr angebunden ist? Sind Ladesäulen für die E-Mobilität vorhanden? Wenn nicht: Ist die Energieinfrastruktur robust genug, dass sich viele Haushalte für ein E-Fahrzeug entscheiden können? Wie praktikabel sind die gewählten Lösungen? Während dem Energieanbieter Eon zufolge der Einbau einer konventionellen Ladesäule ab rund 5.000 Euro möglich ist, können Schnellladesäulen bis zu 120.000 Euro je Einheit kosten. Insgesamt dürfte bei diesem Thema der Neubau einer Immobilie (oder noch besser: der Neubau eines ganzen Quartiers) im Vorteil sein. Denn es dürfte leichter fallen, die entsprechende Infrastruktur neu zu schaffen, als etwa eine bestehende zu ersetzen. Allerdings gilt auch hierbei: Eine pauschale Antwort gibt es nicht.

Antworten für beide Bereiche finden

Vielmehr müssen sich die Bau- und Immobilienbranche in Zukunft um Lösungen bemühen, wie sich sowohl der Neubau als auch das Sanierungswesen in Sachen Nachhaltigkeit optimieren lassen. Dafür ist es aber umso wichtiger, das Thema bereits jetzt in all seinen Facetten zu analysieren.

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