Non-Performing Loans: Das Schlimmste steht noch aus
Endlich! Im Juni hat die Europäische Zentralbank (EZB) zum ersten Mal nach fast fünf Jahren und zehn Leitzinserhöhungen in Folge die Leitzinsen gesenkt. So dürften zumindest viele in der Immobilienbranche denken. Doch für Entwarnung auf dem Immobilienmarkt ist es noch zu früh. Die Baukosten sind unverändert hoch. Transaktionen finden kaum statt. Und auch die erzielbaren Kaufpreisfaktoren am Markt sind in Bewegung geraten. Sie liegen oft nicht mehr oberhalb von 20, sondern im Einzelfall zwischen 10 und 15. Und das gilt sogar für Objekte, die durchaus marktfähig sind.
Zudem hält auch die Zurückhaltung der Banken bei Finanzierungen an. Auch hier kann von „back to business as usual“ keine Rede sein. Der Tritt auf die Bremse bei neuen Finanzierungen dürfte künftig eher noch stärker ausfallen.
Banken müssen langsam handeln
Dafür gibt es mehrere Gründe. Dazu gehört beispielsweise der weiter anwachsende Berg von ausfallgefährdeten Krediten (Non-Performing Loans – NPL) in den Büchern der Institute. Und auch der Druck, den die Aufsichtsbehörden in puncto Immobilienfinanzierungen auf die Banken ausüben, nimmt stetig zu.
So hat die EZB sogenannte Targeted Reviews und On-site Inspections gestartet, also gezielte Prüfungen in Verbindung mit Einsichtnahme vor Ort. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wiederum ist mit Kreditwesengesetz-Sonderprüfungen aktiv. Besonders die Anforderungen der MaRisk werden streng überwacht, das heißt, der Wert der Sicherheiten wird mittels einer Analyse des Sicherheitenportfolios überprüft und das LTV-Risiko, also das Verhältnis des Kreditbetrags zum Verkehrs-/Marktwert, abgeschätzt. Die niedrigeren Verkehrswerte von Immobilien kommen daher langsam, aber sicher in den Kreditportfolien der Banken an und zwingen sie zu handeln.
Faule Gewerbeimmobilienkredite um 129 Prozent gewachsen
Zu den NPL: Aktuelle Zahlen der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (European Banking Authority – EBA) zeigen einen anhaltenden Anstieg. Ende des ersten Quartals 2024 betrug das Volumen der faulen Gewerbeimmobilienkredite in Deutschland 14,2 Milliarden Euro. Im Vergleich zum Vorjahreswert ist dies ein Anstieg um 129 Prozent. Das Volumen aller NPL hierzulande legte im selben Zeitraum um ein Viertel auf 39,8 Milliarden Euro zu.
Und ein Ende dieser Entwicklung ist mit Blick auf die kommenden Jahre nicht zu erwarten. Denn die Refinanzierung ist auch trotz der jüngsten Zinssenkung viel teurer geworden. Das gilt insbesondere für Kredite, die vor rund sieben bis zehn Jahren abgeschlossen wurden und die in den Jahren 2024 bis 2026 fällig werden. Die Refinanzierungssituation bedingt, dass zahlreiche weitere Immobilienunternehmen in Schieflage geraten dürften. Zum Jahresende dürfte es nach unserer Einschätzung im deutschen Gesamtmarkt rund 60 Milliarden Euro an NPLs geben. Was einem Plus von mehr als 50 Prozent im Vergleich zum Ende des ersten Quartals bedeuten würde. Und selbst diese Zahl könnte sogar noch weiter steigen. Denn in den kommenden beiden Jahren endet die Laufzeit sehr vieler Bestandskredite aus der Boomphase.
Für manche Marktteilnehmer auf dem Immobilienmarkt dürften die Aussichten unverändert düster sein. Für andere, mutige ergeben sich jedoch auch Chancen. So wird das wachsende Volumen der NPL für ein Mehr an Verkäufen dieser notleidenden Kredite sorgen. Vieles findet momentan noch unterhalb der magischen Grenze von 100 Millionen Euro statt, ab der ein Einstieg für angelsächsische Private-Equity- und Hedgefonds reizvoll ist.
Noch Zurückhaltung bei NPL-Käufen
Diese „kleineren“ NPL-Verkaufsangebote sehen sich zurzeit Single und Multi Family Offices sehr genau an. Die Sondierungen erfolgen diskret und mit großer Vertraulichkeit. Deutsche Institutionelle Investoren halten sich mit NPL-Käufen noch zurück. Dabei besteht allerdings für sie die Gefahr, den günstigen Einstiegspunkt zu verpassen. Das war von 2003 an und nach der Finanzkrise schon einmal so.
NPL-Verkäufe erfordern einschlägige Restrukturierungskonzepte, gepaart mit konsequenten Workout-Strategien. Dieses Know-how ist in vielen Banken inzwischen nicht mehr vorhanden. Marktteilnehmer, ob Investoren oder Kreditinstitute, sind also auf Partner angewiesen, die entsprechendes Wissen bieten und bei der Umsetzung unterstützen können.