Time to Market: Zeit wird wieder zum Risiko

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Von Jana M. Mrowetz, Gründerin & Geschäftsführerin URBAN CELL GmbH

In den 2010er-Jahren war es für Projektentwickler und den hinter ihnen stehenden Investoren zweitrangig, wie lange die Fertigstellung einer Immobilie gedauert hat – sogar ein Überschreiten des Zeit- und Kostenrahmens war oft zweitrangig. Schließlich waren die Zinsen niedrig und die steigenden Kaufpreisniveaus haben dafür gesorgt, dass die Immobilie immer weiter an Wert gewann. Der Zeitpunkt der Vermietung und des Verkaufs wurde nebensächlich.

Risikofaktor Bauzeit
Mit dem Beginn der Zinswende ab 2022 hat sich das grundlegend geändert: Sinkende Verkehrswerte und steigende Finanzierungskosten haben dazu geführt, dass eine zu lange – wenngleich auch planmäßige – Bauzeit zu einem der relevantesten Risikofaktoren für Entwickler und Investoren geworden ist. Unter anderem sind die Zinskonditionen für eine Anschlussfinanzierung nach wie vor unklar. Eine Analyse des Portals Interhyp zeigt für die private Baufinanzierung, dass die realen Zinsniveaus allein im Laufe des Jahres 2024 um 55 Basispunkte geschwankt sind und trotz der erfolgten Zinssenkungen aktuell sogar tendenziell wieder steigen. Für den professionellen Immobilienmarkt fallen diese Zinsschwankungen erfahrungsgemäß ähnlich hoch aus.

Das BF.Quartalsbarometer von Bulwiengesa zeigt mit einem Indexwert von –13,79 im dritten Quartal 2024 zudem nach wie vor eine sehr restriktive Finanzierungsbereitschaft an. Zum Vergleich: Im zweiten Quartal 2020, also in der Zeit des Corona-Schocks, lag der Wert bei ähnlich tiefen –15,24. Wer zum falschen Zeitpunkt refinanzieren muss, setzt sich also erhöhten Risiken aus. Zudem ermittelten die Analysten von Lübke Kelber zwar mit einem durchschnittlichen Kaufpreis von 3.541 Euro je Quadratmeter eine deutlich einsetzende Bodenbildung auf dem institutionellen Wohnimmobilienmarkt, dennoch ist angesichts einer angespannten Wirtschaftslage und der globalen Multikrisen für viele Investoren unklar, welchen Verkaufspreis ihre Projektentwicklung in sechs, zwölf oder 24 Monaten erzielen könnte.

Mit einem Volumen von 4,5 Milliarden Euro ist der Markt auch noch weitaus illiquider als vor der Zinswende. Eine nach wie vor hohe Vermarktungsdauer kommt daher als Faktor erschwerend hinzu.

Oft vergessen wird auch das regulatorische Risiko. Denn mit der Zeit ändern sich Vorschriften und Regularien. Schon vor der Fertigstellung kann damit die Nutzung oder auch die Anschlussfinanzierung eines Projektes gefährdet sein. Das wird jetzt gerade bei Projekten mit einem schlechten Nachhaltigkeitsrating deutlich, die in die Fertigstellung oder Vermarktung gehen sollen. Auch unvorhergesehene Ereignisse, wie eine Wirtschaftskrise oder ein exogener Schock, können bestimmt Asset-Klassen zu Ladenhütern machen. Das alles ist nicht planbar und macht es daher so fatal für Investoren und Entwickler.

All diese Aspekte machen die „Time to Market“, also die Zeit zwischen Entwicklung und Vermarktung einer Immobilie, zu einem der größten Hebel, um das Risiko einer Projektentwicklung zu managen.

Modulare und serielle Bauweisen reduzieren die Zeit
Eine wirksame Möglichkeit, die „Time to Market“ erheblich zu verkürzen, sind modular errichtete Immobilien. Aufgrund der hohen Vorfertigungsgrade können verglichen mit einem konventionellen Bau mit Mauerwerk bis zu 90 Prozent Zeitersparnis im Hochbau entstehen. Darüber hinaus können Baunebenkosten wie beispielsweise die HOAI-Gebühren deutlich gesenkt werden. Diese Vorgehensweise ist gerade auf einem angespannten Wohnungsmarkt sehr viel effizienter als das konventionelle Bauen: Die Architekten entwickeln einmal eine Lösung, die sich dann immer wieder reproduzieren und skalieren lässt. Auch bei den Genehmigungsverfahren sind Modulbauten effizienter.

Aber Schnelligkeit ist nicht alles: Modularität ist zwar nicht automatisch ein Qualitätsgarant. Aber gut geplanter und ausgeführter Modulbau sieht nicht nur anspruchsvoll und zeitgemäß aus. Der hohe Grad der Vorfertigung reduziert auch mögliche Baumängel und minimiert den Spielraum für menschliche Fehler auf der Baustelle. Um ein Produkt zu schaffen, dass auch nachgefragt wird, ist es nötig Design- und Aufenthaltsqualität mit hohen ESG-Standards und nachhaltigen Bauweisen wie beispielsweise Holzmodulbau zu vereinen. Wer also allein auf die Bauzeit achtet und dabei Abstriche bei der Qualität in Kauf nimmt, wird womöglich den gewünschten Verkaufspreis im Exit nicht realisieren können. Ein hochwertiges Produkt hingegen kann sowohl für den Entwickler als auch für den späteren Bestandshalter marktübliche Renditen erzielen.

Das Quartier als Investmentfaktor
Ebenso wichtig ist es, bei aller Standardisierung auch die individuellen Standortaspekte in Form angepasster Flächenkonzepte zu berücksichtigen. Wenn beispielsweise in der direkten Nachbarschaft keine Fitness- oder Wellness-Möglichkeiten existieren, kann es sich durchaus lohnen, ein Gym mit Sport- und Schwimmbereich hinzuzufügen. Besonders bei Projekten im suburbanen Raum kann ein Coworking-Space ebenfalls Mehrwert bieten, da dieser für die späteren Nutzer eine New-Work-gerechte Alternative zum Einpendeln in die Kernstadt schafft. Ein solcher Ort mit hoher Aufenthaltsqualität und Community-Bildung performt messbar besser.

Für Investoren ermöglicht das eine höhere Flächeneffizienz. Gemeinschaftsflächen schaffen – vor allem in Kombination mit verkleinerten privaten Wohneinheiten – Synergien, um den Wohnraumbedarf und die damit einhergehenden Baukosten zu senken und einen höheren Cashflow zu erzielen.

Darüber hinaus begünstigen solche Konzepte eine soziale Durchmischung, was auf den Leitgedanken der sozialen Nachhaltigkeit, also dem S in ESG einzahlt. Das Zukunftsinstitut hat in seiner neuen Studie ‚Konnektivität‘ als größten neuen Megatrend herausgehoben, der den Markt längerfristig prägen wird. Rahmenbedingungen für eine gut funktionierende ‚Community‘ zu schaffen, wird daher von der Kür zur Pflicht in der Entwicklung von Neubauprojekten.

Diese eher weichen Faktoren lassen sich allen Unkenrufen zum Trotz in konkrete Performance-Zahlen übersetzen, ob durch höhere Mieteinnahmen oder Kaufpreise oder günstigere Anschlussfinanzierungen. Orte mit höherer Aufenthaltsqualität performen besser.

Time to Market wird zum Katalysator
Ende 2023 lag der Marktanteil des seriellen Bauens dem Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) zufolge bei etwa fünf Prozent – wobei von den Analysten ein potenzieller Marktanteil von zehn Prozent prognostiziert wurde. Angesichts der nach wie vor hohen Baupreise in Kombination mit der Wohnungsnot und der Finanzierungsunsicherheit könnte der Marktanteil mittelfristig sogar noch deutlich höher ausfallen. Der Faktor „Time to Market“ könnte sich dabei ebenfalls als Katalysator erweisen. Wenn mehr und mehr Projektentwickler und die hinter ihnen stehenden Investoren darauf achten, die Planungs- und Bauzeit möglichst gering zu halten, dürfte die Entscheidung immer häufiger zugunsten eines seriellen oder modularen Konzepts fallen. Für Investoren bleibt die Zeit-Effizienz einer der größten Hebel zum Risiko-Management.

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