„Jetzt interessiert, wie lange die Preise so niedrig bleiben“

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Jürgen Michael Schick sieht die Talsohle der Kaufpreise bei Zinshäusern in Berlin und einigen anderen Städten erreicht, die Chance für Bestandsinvestoren gekommen. Trotz geplanter Sanierungsvorschriften und Steueranreize für Neubau ist der Geschäftsführer des gleichnamigen Maklerhauses, der bis vor kurzem Präsident des Verbands IVD war, überzeugt: „Es gibt eine Renaissance des Bestands in großen Städten.“

Immobilien Zeitung: Im Zinshausmarktbericht für Berlin stellt Schick Immobilien fest, dass die Preise zum Jahreswechsel stark gesunken sind, aber im zweiten Quartal nicht mehr nachgegeben haben. Günstiger wird’s nicht mehr, sagen Sie. Warum?
Schick: Gegenüber dem Peak im Jahr 2021 gab es in Berlin eine Preiskorrektur zwischen 25% und 30%. Der Markt hat sich auf die neue Welt mit ihren höheren Zinsen eingestellt und nun stabilisiert. Das ist auch daran zu erkennen, dass in Berlin das Transaktionsvolumen im zweiten Quartal gegenüber dem ersten um 47% gestiegen ist.

IZ: Von niedrigem Niveau aus kommend: von 430 Mio. Euro auf 632 Mio. Euro. Lässt sich damit und nach einem Quartal stabiler Preise schon eine Talsohle ausrufen?
Schick: Ich denke: Schlimmer wird’s nimmer. Ja, wir kommen von einem niedrigen Transaktionsniveau. Weil das erste Quartal das schwächste war, nämlich das, in dem sich Investoren zurechtfinden mussten. Auf der Mipim in diesem Jahr dominierte noch die Frage: Wie weit sinken die Preise noch? Aber jetzt interessiert, wie lange die Preise noch so niedrig bleiben.

IZ: Die Europäische Zentralbank hat jüngst den Leitzins auf 4,25% erhöht, weitere Zinsschritte könnten folgen. Warum meinen Sie trotzdem, dass die Preise nicht mehr sinken?
Schick: Der Markt hat sich an das neue Zinsniveau gewöhnt, und jeder weiß, dass es noch weitere kleinere Zinsschritte geben kann.

IZ: Die sind schon eingepreist?
Schick: Aus meiner Sicht ja.

IZ: Gilt Ihre Theorie, dass jetzt eine gute Zeit für Zinshauskäufe ist, auch für andere Städte?
Schick: Ja. Überall da, wo sich die Marktkorrektur vollzogen hat. Das gilt vor allem für große Städte, die transparent und fungibel sind. In vielen C- und D-Städten gibt es zu wenige Transaktionen. Da träumen Verkäufer noch von den alten Preisen.

IZ: Wo noch sind die Preise stark gesunken?
Schick: Wir erstellen jetzt gerade den Zinshausmarktbericht für Deutschland. Aber was ich sagen kann, und das fußt auf Gutachterausschussdaten fürs erste Quartal 2023 gegenüber dem Vorjahresquartal und bezieht sich auf Wohn- und Geschäftshäuser: In Hamburg sind die Preise um 38% gesunken. In Bonn gibt es einen Rückgang um 30%, in Chemnitz um 34%, in Duisburg um 15%.

IZ: Und in anderen der sieben Top-Städte?
Schick: In Düsseldorf gab es einen Rückgang um 7,7%.

IZ: Vergleichsweise wenig. Ist Düsseldorf weniger transparent als Chemnitz?
Schick: In Düsseldorf gab es wenige Kauffälle. Der Markt braucht vielleicht noch ein viertel oder halbes Jahr länger für die Korrektur.

IZ: Würden Sie in Chemnitz bei 34% Preisrückgang kaufen?
Schick: In Berlin und etlichen anderen Städten haben Investoren derzeit die Chance, zu den Preisen von gestern mit den Mieten von morgen zu kaufen. Beispiel Berlin: Die Stadt hat jetzt 80.000 Einwohner mehr als vor zwei Jahren, aber es werden jedes Jahr nur etwa 15.000 neue Wohnungen gebaut. Prognosen zufolge werden die Neuvertragsmieten im Jahresvergleich im zweistelligen Prozentbereich steigen. Sehe ich dieses Mietwachstum für Chemnitz? Nein. Deshalb bemerken wir nicht nur eine Renaissance des Bestands, sondern auch eine Renaissance des Bestands in großen Städten. C- und D-Standorte waren in der letzten Phase des Superzyklus die große These. Aber es kann sein, dass da nicht alle Träume wahr werden. Es gibt weniger Mietdynamik nach oben und grundsätzlich die Frage der Leistbarkeit von Mieten.

IZ: Ende vergangenen Jahres war der Tenor von Investoren: Bei Bestandskäufen können die meisten Fehler gemacht werden. Unsicher sei die Energiepreisentwicklung oder welche Anforderungen an Sanierungen kommen und wie gefördert wird. Die Unsicherheiten gibt es noch. Haben die Preisrückgänge das kompensiert?
Schick: Vergleichen wir Neubau und Bestand. In einer Vollkostenkalkulation müsste ich bei einem Neubau in einer normalen Stadtteillage Berlins mit 5.300 Euro pro Quadratmeter inklusive Grundstück rechnen. Auf dem gleichen Grundstück bekomme ich soliden Bestand für 2.300 Euro, inklusive Kaufnebenkosten sind das 2.600 Euro. Dann habe ich noch viel Luft für eine Sanierung.

IZ: Die Grundstückspreise sind teils deutlich gefallen. Sind wir noch bei den 5.300 Euro oder schon drunter?
Schick: Ja, für Grundstücke sind die Preise am stärksten gesunken. Aber das ist schon eine ganz valide Durchschnittszahl für die sieben Top-Städte. Im Rechenbeispiel gilt: Selbst wenn ich bei 2.600 Euro noch für 1.000 Euro pro Quadratmeter saniere, und das ist viel, bin ich mit 3.600 Euro pro Quadratmeter immer noch weit unter den Neubaukosten.

IZ: Habe dann aber kein neues Effizienzhaus 40 und bin, ohne umfassende Modernisierung, auch wieder an die Mietpreisbremse gebunden.
Schick: Klar, da vergleicht man ein bisschen Äpfel mit Birnen. Das ist eine Rentabilitätsrechnung. Aber ich müsste für den Neubau Mieten deutlich über 25 Euro pro Quadratmeter nehmen. Das geht sicher in guten Lagen. Aber Neubau entsteht mittlerweile oft am Stadtrand, an der Bahntrasse, an der Ausfallstraße. Da ist mir als Mieter eine Bestandswohnung im Kiez für 10 Euro pro Quadratmeter lieber. Und die nächste Frage ist, ob diese Neubauten dauerhaft bei 25 Euro bis 28 Euro bleiben, wenn sich der Markt einmal normalisieren sollte. Die bezahlbaren Wohnungen sind im Bestand in der Stadt.

IZ: Bundesbauministerin Klara Geywitz will die steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten für Neubauten verbessern. Beeinflusst das die von Ihnen prognostizierte Renaissance des Bestands?
Schick: Eine erhöhte Abschreibung wäre zu begrüßen. Aber das allein wird nicht reichen, um den Neubau anzukurbeln.

IZ: Zurück zu den Unsicherheiten in Sachen Energieeffizienz. Könnten die Preise noch mal nachgeben, wenn an dieser Stelle Genaues feststeht?
Schick: Das wird jetzt schon eingepreist. Ja, wir wissen noch nicht, was genau im Heizungsgesetz und in der EU-Gebäuderichtlinie stehen wird. Aber wir wissen, dass der Bestand im Jahr 2045 klimaneutral sein soll. Und wir wissen, dass die energetische Beschaffenheit im Geschosswohnungsbau wesentlich besser ist als im Ein- und Zweifamilienhausbereich.

IZ: Sie meinen, dass viele Geschosswohnungsbauten erst einmal nicht von der geplanten EU-Gebäuderichtlinie betroffen sein werden, wonach die schlechtesten 15% der Gebäude zuerst anzupacken sind?
Schick: Also ich würde jetzt nicht den flattrigsten Bestand aus den Fünfzigerjahren kaufen, sondern einen soliden Altbau, an dem dauerhaft gearbeitet wurde. Für den braucht es dann einen Sanierungsplan über die kommenden zehn, 15 Jahre. Eigentümer müssen aber nicht gleich alles umsetzen. Sie können schauen, ob ein Nah- oder Fernwärmenetz kommt, ob es technologische Fortschritte im Heizungsbereich gibt, ob Bau- und Materialkosten sinken. Sie können sukzessive energetisch sanieren. Dann erreichen sie vielleicht nicht Effizienzhausstandard 85 oder 70, aber das ist in den kommenden Jahren auch gar nicht notwendig.

IZ: Um der steigenden Mieten Herr zu werden, will der Bundesrat ran ans Segment möblierte Wohnungen, und auch die Indexmiete ist wieder in der Diskussion. Rechnen Sie mit mehr Regulierungen?
Schick: Die Gefahr ist evident. Wir werden wieder alle Argumente hören: Es braucht eine Verschnaufpause im Markt, sechs Jahre Mietenstopp, eine schärfere Mietpreisbremse … Aber damit wird das Problem nicht gelöst. Wir brauchen die Renaissance des Neubaus.

IZ: Haben Sie jüngst gekauft?
Schick: Ich habe mein letztes Mehrfamilienhaus 2019 gekauft. Jetzt bin ich wieder auf der Suche und werde in diesem Jahr sicher investieren.

IZ: Wo?
Schick: Ich habe Häuser in Berlin und in Nordrhein-Westfalen. Wahrscheinlich werde ich in Berlin zuerst kaufen. Die Preiskorrektur ist hier schneller vollzogen. Wenn ich aus Dortmund Exposés bekomme, in denen Immobilien zum 20fachen angeboten werden, kaufe ich lieber in Berlin zum 20fachen.

IZ: Wer kauft derzeit?
Schick: Vor allem zwei Gruppen, die ausreichend eigenkapitalisiert sind: private Investoren – Family-Offices, Stiftungen, vermögende Privatpersonen – und gewerbliche Immobilienkäufer, also Unternehmen, die Immobilien managen und weiterentwickeln. Institutionelle Investoren sind noch zurückhaltend.

IZ: Zum Schluss noch eine Prognose: Wann werden die Preise für Zinshäuser in Berlin wieder steigen?
Schick: Nicht kurzfristig. Jetzt stabilisiert sich der Markt wieder. Das ist nach den letzten 15 Monaten schon eine sehr gute Nachricht.

IZ: Herr Schick, vielen Dank fürs Gespräch.

Das Interview führte Christine Rose.

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