Die große Unbekannte – wie geht es weiter mit der EU-Gebäuderichtlinie?

Guides / Eigentümer

Die Europäische Union arbeitet seit 2021 an der Überarbeitung der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD), in welcher vor allem Regelungen zu einem möglichst klimaneutralen Baubestand innerhalb der EU geschaffen werden. Der jüngste Vorschlag des EU-Parlaments schlägt dabei hohe Wellen sowohl in der Politik als auch bei Akteuren der Immobilienbranche, Eigentümern und Bestandshaltern. Während der Weg zur Klimaneutralität der neuen EPBD zufolge in Rekordgeschwindigkeit vollzogen werden soll, befürchten Immobilienbesitzer aber auch Mieter, dass eine Kostenwelle auf sie zukommt.

Doch was haben die EU-Parlamentarier genau beschlossen, wie weit ist das Verfahren und welche Auswirkungen wird man in der Immobilienentwicklung und dem Markt für Immobilien Investments spüren?

In ihrer Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie sieht das Parlament vor, dass der Gebäudebereich in der Europäischen Union bis 2030 wesentlich weniger Treibhausgasemissionen erzeugt und Energie verbraucht als bislang. Bis 2050 soll dann der gesamte Gebäudebestand vollständige Klimaneutralität erreicht haben. Konkret heißt dies, dass alle Neubauten ab 2028 emissionsfrei errichtet werden und auch im Betrieb klimaneutral bleiben müssen. Für Neubauten, die Behörden nutzen, betreiben oder besitzen, soll diese Vorgabe schon ab 2026 gelten. Darüber hinaus soll auf allen neuen Gebäuden bis 2028 eine Solaranlage installiert werden, sofern das technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar ist.

Einführung einheitlicher Energieeffizienzklassen

So weit, so ehrgeizig. Noch ambitionierter und komplizierter wird es, wenn es um Bestandsbauten wie Mehrfamilienhäuser und klassische Zinshäuser geht, denn auch sie werden auf dem Pfad zur Klimaneutralität bis 2050 ihren Beitrag leisten müssen. Bereits die EU-Kommission hatte deshalb vorgeschlagen – und das Parlament hat diese Pläne bestätigt –, einheitliche Effizienzklassen in ganz Europa einzuführen, die den Energieverbrauch transparent und über Ländergrenzen widerspiegeln. Zum Hintergrund: In Europa gibt es momentan noch eine Vielzahl unterschiedlicher Skalen, um Gebäude in Energieeffizienzklassen einstufen. In Deutschland wird die Energieeffizienzklasse beispielsweise auf einer Skala von A+ bis H mit Verbrauchswerten in einem Energieausweis angegeben.

Wenn es nach den Plänen aus Brüssel geht, wird die neue einheitliche Skala die Stufen A bis G umfassen. Es sollen prioritär dann solche Immobilien als erstes modernisiert und energetisch saniert werden, die derzeit am schlechtesten abschneiden – wobei die Energieeffizienzklasse G 15 Prozent des gesamten Gebäudebestandes innerhalb der EU ausmacht. Dem Vorschlag zufolge müssen Wohngebäude, also Ein- und Mehrfamilienhäuser bis 2030 mindestens Klasse E und bis 2033 Klasse D erreichen. Nichtwohngebäude, wie Bürogebäude zum Beispiel und öffentliche Gebäude müssen die jeweilige Energieeffizienzklasse bis 2027 beziehungsweise bis 2030 erreichen.

Handlungsbedarf bei unsanierten Wohngebäuden

Wie ist die zukünftige Energieeffizienzklasse D einzuordnen? Branchenkenner gehen davon aus, dass sie der jetzigen ungefähr entsprechen wird. Die aktuelle Klasse D in Deutschland umfasst, dass der spezifische Energieverbrauch eines Gebäudes zwischen 100 und 130 Kilowattstunden pro Quadratmeter liegen muss, was im Großen und Ganzen dem Zustand eines gut sanierten Altbaus entsprechen dürfte. Den Angaben des Eigentümerverbands Haus & Grund zufolge müssen sich Eigentümer und Eigentümerinnen, die in einem KfW-Effizienzhaus 100 oder besser wohnen, erstmal keine Gedanken über Nachbesserungen machen.

Hingegen können alle Eigentümer, die sich mit ihrem Zinshaus oder auch ihrer selbstgenutzten Immobilie derzeit zwischen den Energieeffizienzklassen Mitte E und H bewegen, davon ausgehen, dass sie zeitnah handeln müssen. In diese Klassen dürften vor allem Bauten aus der Zeit vor der ersten Wärmeschutzverordnung 1977 fallen, bei denen noch nicht energetisch saniert wurde. Nach Aussagen des Branchenverbands IVD wären in Deutschland überproportional viele Ein- und Zweifamilienhäuser von einer Zwangssanierung betroffen, da in diesen zumeist ein anteilig höherer Strom- und Gasverbrauch vorliegt. Rund 40 Prozent der 16 Millionen Eigenheime seien kaum saniert und befänden sich noch in den besonders schlechten Energieklassen G und H.

Kostenlawine rollt

Die Förderbank KfW schätzt die Kosten für den skizzierten Umbau der Gebäude allein in Deutschland auf 254 Milliarden Euro – Kosten, die in erster Linie von Mietern und Eigentümern getragen werden müssten. Wichtig: Für die energetischen Sanierungen soll auch Geld aus EU-Töpfen bereitgestellt werden. Bereits Ende 2021 hieß es seitens der EU-Kommission, dass bis 2030 bis zu 150 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt für energetische Sanierungen zur Verfügung stünden.

Auch in Deutschland stehen bereits Fördertöpfe bereit: Die KfW vergibt im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) Hilfen zur Sanierung von „Worst Performing Buildings“ genannten Gebäuden. Eigentümer erhalten dabei einen Zuschuss in Höhe von zehn Prozent der Kosten, wenn die Immobilie mit Blick auf den energetischen Sanierungszustand zu den schlechtesten 25 Prozent der Gebäude in Deutschland gehört. Auch Besitzer von Häusern, die vor 1957 errichtet wurden und deren Außenwände zu mindestens 75 Prozent nicht energetisch saniert sind, profitieren von diesem Zuschuss.

Wie geht es jetzt weiter? Zunächst werden EU-Parlament, Rat und Kommission im Trilog einen Kompromiss finden müssen. Beobachter rechnen damit, dass das noch einige Monate in Anspruch nehmen könnte. Anschließend müssen die einzelnen EU-Staaten die Regelungen in nationales Recht umsetzen. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) will einen Sanierungszwang für einzelne Wohnhäuser verhindern – und hat mit dieser Positionierung eine Debatte angestoßen, die wohl zu den prägendsten in den kommenden Jahren gehören wird.

Fazit: Ambitionierte Ziele, herausfordernde Umsetzung

Mit ihrem Vorschlag der neu überarbeiteten EU-Gebäuderichtline verfolgt das EU-Parlament äußerst ambitionierte Ziele, eine der weltweit größten Zivilregionen auf einen klimaneutralen Weg zu führen. In der Theorie sind solche Ziele schnell formuliert, in der Praxis aber stellen sich bereits jetzt viele Fragen hinsichtlich der Umsetzbarkeit. Für jetzige und zukünftige Eigentümer von Wohn- / Geschäftshäusern stehen wichtige strategische Entscheidungen hinsichtlich der Gebäudesanierung an, wobei mit Blick auf die Kosten bisher nur Beispielrechnungen kursieren. Klar ist: Vor allem Eigentümer, deren Immobilie eine schlechte Energieeffizienzklasse aufweist, sollten handeln. Für Immobilien Investoren und Vermögensverwalter bedeutet das ein stetig aktives Portfoliomanagement, in dem eine fortschreitende energetische Sanierung des Bestands vorangetrieben wird. Aber auch viele Privatpersonen werden wahrscheinlich zum Handeln gezwungen sein, was oft leichter gesagt ist als getan, wenn man sich nur einmal Kosten und Wartezeiten beispielsweise bei der Installation einer neuen Wärmepumpe betrachtet. So liegt der aktuelle Preis einer Erdwärmepumpe für ein Mehrfamilienhaus / Zinshaus bei mindestens 10.000 – 12.000 Euro, wobei zusätzlich die Kosten der aufwendigen Installation bis zu 20.000 Euro betragen können.[1]  Nach Angaben der Verbraucherzentrale Brandenburg muss man bei einer Bestellung einer Wärmepumpe im Raum Berlin derzeit mit einer Wartezeit von bis zu einem Jahr rechnen.[2]

Natürlich sollte man sich auch vergegenwärtigen, dass Investitionen in die energetische Sanierung, zumal gefördert, dazu beitragen können, den langfristigen Wert eines Gebäudes zu erhalten oder gar zu steigern – und damit im wahrsten Sinne des Wortes fit für die Zukunft zu machen. Je nach Beschaffenheit des Gebäudes können schon kleinere Maßnahmen dabei helfen, das Gebäude in die nächsthöhere Energieeffizienzklasse zu hieven. Auch der Verkauf einer Immobilie, die noch nicht oder kaum saniert ist, an Investoren, die im Rahmen einer Value-Add-Strategie investieren, kann zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll sein. Zeichen)

[1] Vgl. Wärmepumpe Mehrfamilienhaus: Arten, Kosten Leistung, Strom (heizungsfinder.de)

[2] Vgl. Energieberater: „Am besten im Frühling auf eine Wärmepumpe umsteigen“ (berliner-zeitung.de)

Verkauf ohne Grunderwerbssteuer mit Share Deals – bald nicht mehr möglich?
Eigentümer
Wenn es nach rot-rot-grünen Politikern geht, sollen Share Deals künftig deutlich erschwert oder abgeschafft werden. Immobilientransaktionen über den Verkauf von Unternehmensanteilen konnten praktisch nicht...
mehr...

19. Februar 2021
Was bedeutet der Milieuschutz für Investoren?
Käufer
Das Ziel des Milieuschutzes nach dem Baugesetzbuch (BauGB) ist der Schutz der angestammten Bevölkerung vor Verdrängung. Diese Verordnung betrifft dabei sowohl den Eigentümer als...
mehr...

5. Februar 2021
Investieren in Zeiten von Mietendeckel und Mietpreisbremsen
Käufer
Mehrfamilienhäuser sind bei Investoren besonders beliebt und weiterhin stark nachgefragt: Ein vermietetes Mehrfamilienhaus sorgt für regelmäßige Mieteinnahmen und kann gerade auch in wirtschaftlich schwierigen...
mehr...

22. Januar 2021